Aller Anfang ist schwer
In den alten Kolonien, Chortitza und Molotschna in der Ukraine, wurde das Land knapp. Viele junge Menschen sahen dort keine Möglichkeit mehr, als Bauern ihr Überleben zu sichern.
Daher sandte die Mutterkolonie Chortiza eine Gruppe aus, die nach gutem Bauernland Ausschau halten sollte. Auf der Suche nach günstigem Land, wurden sie in der Nähe von Orenburg am Ural fündig. Die Gebrüder Dejew, die Gutsbesitzer waren, verkauften der Kolonie Chortiza 25 000 Desjatine Land (eine Desjatine entspricht in etwa einem Hektar) In den Jahren 1894 bis 1901 wurden auf diesem Land 14 Dörfer gegründet. Im ersten Jahr wurden die ersten fünf Dörfer Chortitza, Petrowka, Kanzerowka, Kamenka und Deevka gegründet. Im Jahr 1895 kamen die Dörfer Niekolaijewka und Romanowka hinzu. Zwei Jahre später, im Jahr 1897, wurde das Dorf Romanowka erweitert und ein weiteres Dorf, das Fjodorowka hieß, wurde gegründet. Besiedelt wurden diese Dörfer mit Leuten aus der alten Kolonie Chortitza.
Am 17. März 1894 versammelten sich auf dem Bahnhof Alexandrowsk 80 Familien, die sich als erste Ansiedlergruppe auf den Weg machten. Acht Tage später reisten etwa 50 Familien mit einem zweiten Zug ab. Um für die lange Überfahrt bei der Eisenbahn günstige Transporttarife zu bekommen, waren
die Siedler gezwungen, sich gleich zu Beginn in einzelne Dorfgemeinschaften zu gruppieren und sich geschlossen an einem bestimmten Tag im März am Bahnhof einzufinden. Nur so erhielten sie 25% Vergünstigung auf die normalen Preise. Diese Gruppenermäßigung auf die Zugtickets war die einzige Unterstützung, die die Siedler von der Regierung erhielten. So startete die Reise mit vielen Ungewissheiten in die neue Heimat. Auf der Reise ging nicht alles nach Wunsch und sie erlebten manches Negative. Als die Ansiedler aus der Heimat abfuhren, begann dort die Saatzeit, nach zwei Drittel ihrer Reise fiel Schnee, und am Ziel war es tiefster Winter. Das machte einige unglücklich.
Es war eine gemischte Gruppe Menschen, die aufbrachen. Viele junge Menschen, aber auch Ältere machten sich auf den Weg in ihre neue Heimat. Am 25. März kam der Zug auf der Bahnstation Platowka an und am 26. März erreichten die Ansiedler das russische Dorf Pokrowka. Ein Großteil der Reisenden machte dort Halt, um das Ende des Winters abzuwarten. Andere jedoch kauften sich Pferde und Schlitten und reisten weiter ins Ungewisse. Der Entfernung nach zu urteilen, waren sie ca. einen Tag unterwegs.
Peter M. Friesen, ein Zeitzeuge, beschreibt die Reise: „Vom Dorf Pokrowka. aus wollte man auf russischen Schlitten in den, 60 Werst (ca 64 km) entfernten, Ansiedlungsort gelangen. In dieser Gegend verwandelte sich der Schnee Ende März teilweise in Wasser und die russischen Schlitten auf den hohen festgefahrenen Schneewegen drohten zu kippen, so dass die Kinder festgehalten werden mussten, damit sie nicht herausfielen, was die Fahrt nicht zu einer Lustfahrt machte.“
Die Ansiedler suchten Unterschlupf auf Chutoren (kleine Ansiedlungen) und in Dörfern. Auch in einem Gutshaus südlich der Schlucht Sipai fanden die Ansiedler eine Möglichkeit für eine Weile zu bleiben. Dieses Gutshaus gehörte dem ehemaligen Landbesitzer Dejew, der es als Unterkunft für seine Saisonarbeiter nutzte. Ein Teil der Ankömmlinge blieb mit ihren Familien im Gutshaus. Wieder andere Familien, wie etwa die von Abraham (Abraham) Olfert und Dietrich (Abraham) Olfert lebten von Ende März bis Ende April bei den Russen im Dorf Nowo-Niekolsk. Das Wetter war noch sehr kalt, es gab Schneestürme und teilweise Temperaturen bis zu -25 Grad. Es war eine schwierige Situation für die Ansiedler: In den schlechten Quartieren konnten die durchnässten Sachen nicht trocknen und dadurch erkrankten die von den Strapazen geplagten Menschen. Einige hielten es nicht aus und zogen wieder zurück in die alte Heimat. Endlich nach langem Warten kam der Frühling. Sobald sich das Tauwasser verlaufen hatte und die Wege wieder befahrbar wurden, machten sich auch die Familien, die in Pokrowskoje geblieben waren, auf den Weg zur Ansiedlung. Alle Menschen und auch alle Nutztiere erreichten unversehrt die neue Ansiedlung.
Nun ging es aufs Feld. Nachdem sie die Äcker bestellt hatten, wurde das Land vermessen und die Dorfpläne erstellt. Jeder erhielt, durch das Los, ein Grundstück, auf dem er sein Haus bauen konnte. Zuerst wurden „Buden“ und „Semljankie“ (Erdhütten) gebaut, danach auch stabile Häuser.
Die erste Ernte war gut. Die Ansiedler hatten aber wenig Nutzen davon, weil der Winter zu früh kam und viel Getreide auf dem Felde unter dem Schnee blieb.
Die Mutterkolonie hatte viel Geduld, was die Zahlungen der Schulden anbelangte. Die Ansiedler waren alle arm und die Kolonie verlangte nur so viel, wie die Ansiedler zahlen konnten. Zusätzlich hat die Mutterkolonie mit Geld und Kleidern viel für die Armen getan. Eigentlich sollten die Ansiedler im ersten Jahr das Saatgetreide für viel Geld kaufen, aber sie erließ es ihnen. Nicht nur das war eine große Hilfe. Die Kolonie hat auch viel Geld für den Bau der Schulen gespendet und auch bei den nicht seltenen Pferdediebstählen, sorgte sie wieder für Ersatz.
Nach einer schwachen Ernte im Jahr 1896, wurde es besser und im Jahr 1902 konnte das Getreide immer vor dem Winter gedroschen werden.
Das Jahr 1906/07 war ein landwirtschaftliches Notjahr, aber die Mutterkolonie: Chortizer Wolost unterstützte die Menschen und war sehr an der Entwicklung der Dorfgemeinschaft interessiert.
Quelle: Buch von Peter M. Friesen
Jahre seit Gründung